Eis am Kinn?
Wir waren auf dem Weihnachtsmarkt am Samstag. Die Trainingswoche verlief ganz gut.
Geplant waren aber etwa neun Kilometer mehr.
Aufgrund wichtiger privater und Firmenterminen musste ich aber etwas flexibel
umgestalten.
Geht ja auch.
So lief ich dann auch am Samstag eine sieben Kilometer Runde. Aber eben ganz
locker und entspannt. Charly kam mit. Immerhin hatten ich wieder als Team Charly
gemeldet.
Zum Jahresabschluss laufe ich also wieder den Siebengebirgsmarathon.
So kam es, dass wir schon gegen halb Sieben am Sonntag Frühstückten.
Charly war aufgeregt, weil meine Sportsachen im Flur lagen.
Bald hatte er aber begriffen, dass er nicht mit kommen kann.
Immerhin ist er ja schon ein etwas älteres Hundeexemplar.
Im letzten halben Jahr suchte er es sich aus, wann er zum
Training mit kommt.
Immerhin noch drei bis vier Mal in der Woche.
Für ihn kommen so immerhin noch etwa 35 Wochenkilometer zusammen.
Irgendwie kam es dann, dass ich auf der ziemlich leeren Landstraße zur
ziemlich leeren Autobahn in Richtung Köln fuhr und wieder einmal die
entscheidende Frage stellte: „Warum nur?
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Weil ich es kann!” beantwortete ich mir diese lästige Frage.
An einem Sonntag, morgens auf der leeren Autobahn. Es war ja
noch so dunkel. Ich war ja noch so müde.
Ab durch Köln.
Auf
die automatischen Fotografen vor und auf der Zoobrücke muss
man aufpassen. Nichts passiert. Ich passierte die Leiteinrichtungen
der Baustelle vor dem Tunnel hinter der Zoobrücke und dachte auch
über den AC-DC nach.
Das Gewicht muss bis dahin weiter runter. Bisherige Ansätze
zur Gewichtsreduzierung und gesteigertem Training verliefen
zwar erfolgversprechend aber ich stand zu wenig unter Druck.
Immerhin sind es noch etwas mehr als acht Monate bis zum Start
des Alpen-Cross Gruppenlaufes.
Nun, eigentlich so viel Zeit ist das nun auch wieder nicht!
Während ich so in den dunklen Morgen hinein, im Auto und geruhsam
fahrend, über das Laufen nachdachte und ab und an die Gedanken an
die Sache, mit der man den Lebensunterhalt verdient, verdrängen
musste, was mir gelang, erreichte ich Aegidienberg.
Routiniert, denn ich bin schon oft den Marathon hier gelaufen,
fand ich einen Parkplatz.
Keine Probleme.
Ab zum Bürgerhaus.
Die Startnummer und die Sicherheitsnadeln hatte ich schnell
bekommen.
Die junge Dame am Kaffeestand sagte etwas von „zwei Marken”.
Die kaufte ich und legte ihr diese vor. Dafür gab es Kaffee.
Aber ich muss noch drei Marken für den Kuchen nachkaufen.
Es war ziemlich laut und aufgeregt im Bürgerhaus.
Die Halbmarathonis wollten um 9:00 Uhr starten.
Schön.
Die junge Dame schaufelte mir etwas ungeschickt den
Kuchen auf die Pappe. Macht nichts. Ich zog mich zu den
Tischen und Hockern an der Wand zurück und hatte die Halle
im Blick.
„Wie du so den dicken Kuchen essen kannst…”, sprach mich ein
Läufer mit einer Halbmarathonstartnummer an. „Ach das geht
schon. Essen ist vor dem Lauf für mich kein Problem! Sonst
würde ich wohl bei den Ultras oder Mehrtagesläufen verhungern.” , gab
ich ihm als Antwort mit auf den Weg.
Nun gut.
Oft starte ich meine langen Trainingsläufe absichtlich mit
leerem Magen und wenig Getränken. Das lehrt Disziplin und mit einem
gewissen Mangel umzugehen. Der leere Magen kann helfen abzunehmen.
Ich trank den Kaffee, aß den Kuchen und schaute. Schaute mir die
Läufer an, die nun zum Start geführt worden.
Vom Mann mit der Mütze.
Den gibt es hier auch und der Start ist im Gangpferdezenter in Aegidienberg.
Die Pferde hier sind etwas Besonderes.
Aber ich kann auch nicht nur Trapp, Schritt oder Galopp.
Sicher nicht so gut Foxtrott, Marcha (weiß nicht was das ist!)
oder Tölt, wie die hier ausgebildeten Pferde das bestimmt können.
Der Mann mit der Mütze bringt immer die Läufer zum Start.
Die Marathonläufer waren aber erst eine Stunde später dran.
Gestartet wird um 10:00 Uhr.
Noch viel Zeit. Ich setzte mich auf einen bequemeren Stuhl.
Ich fläzte mich hin.
Im Kaffee muss ein Schlafmittel gewesen sein.
Ich sah Udo und Doris kurz an der Starnummernausgabe, hörte Bernhard S.
ins Mikrophon sprechen, den Sprecher allerhand Witze machen und sah den
Stand vom Hauptsponsor.
Alles wie im Halbschlaf.
Man war das gut, dass man mich nicht direkt ansprach. Mein Name fiel.
Der Sprecher las vor, dass ich auch am Start wäre.
Ja, war ich.
Ich war aber so müde und sollte ich wirklich den Marathon
laufen? Die Halbmarathonläufer waren aber schon weg.
Man war ich müde.
Immer wieder nickte ich ein und plötzlich ging der Mann mit der Mütze
mit uns zum Start am Gangpferdezentrum. Im Halbschlaf ging ich so vor mich hin.
„Hallo Helmut”, rief plötzlich jemand und begrüßte Helmut Urbach, den ich
zuletzt in Biel gesehen hatte und der dort schon einige Male, vor Jahren,
gewonnen hatte. Ein toller Schnurrbart ziert dessen Gesicht.
Ich habe mir einen weißen Kinnbart zugelegt.
Doris sah ich am Start. Wir schwatzten kurz und bald ging es los. Nur
immer schön langsam machen. Ich lief auf Verena auf.
Sie erzählte mir, sie hätte auf meiner Internetseite meinen Bericht über
Aegidienberg zur Einstimmung gelesen und mag meine statistikfreien
Berichte.
Gut.
Bald verlor ich sie aus den Augen. Dafür lief Doris und ihre Freundin
einige Kilometer mit mir zusammen und wir erzählten uns was. Schön
hier zu laufen. Die Sicht auf Bonn war nicht so gut.
Es war ziemlich
bewölkt und nur bei Km32 kam die Sonne für einige Sekunden zum Vorschein.
Egal.
Es regnete nicht. Das Laufen viel mir nicht schwer. Ich wollte
aber nicht zu schnell machen, um ziemlich gleichmäßig zu laufen. Doris
und Freundin setzten sich dann etwa bei Km23 ab und ich sah die Beiden
bald nicht mehr.
Warmer Tee, Iso, Wasser und Bananen gab es unterwegs. Immer
wieder der Wald und feuchtes Laub auf den Wald- und auch Asphaltwegen.
Irgendwo hier muss die Batterie der V2 gestanden haben, mit der die
Wehrmacht versuchte die Brücke von Rhemagen doch noch zu zerstören.
Das gelang aber nicht.
Ich lief ziemlich locker und dachte also auch darüber nach.
Diesmal hatte ich im Wald nie das Gefühl, er möge nun bald ein
Ende nehmen. Ich fühlte mich im Wald wohl und sah die Veränderungen.
Die Birken wachsen ja schnell.
Der Wald ändert sich. Die Menschen ja auch.
Ein Glück meistens.
Wir passen uns an die sich ändernden Umstände.
Die meisten Menschen jedenfalls.
Es war reines Vergnügen hier zu laufen. Ich kennen die Strecke gut.
Ein Wiedersehen mit den Steigungen und abschüssigen Wegen. Schön zu
laufen im Wald.
Das Schild mit der 35 darauf begrüßte ich trotzdem
gut gelaunt. Es ging etwas bergan. Ich lief und lief, wie eine Maschine.
„Ich bin doch keine Maschine …”, spukte das Lied vom Timm B. durch meinen Kopf.
Trotzdem, in dem Fall, bei dem Lauf doch schon irgendwie. Gleichmäßig laufen.
Laufen durch die Natur. Immerhin durch das Naturschutzgebiet des kleinsten
Gebirges in Deutschland. „Die Abfälle bitte an den Verpflegungspunkten
lassen”, meinte der Sprecher vor dem Start.
Km39 und die Aufmunterungen eines Zuschauers mit Pfeife und Rassel.
Oder was war das.
Er stand wieder da, wie die
Jahre davor. „Mein” treuester Fan.
Über die Straße liefen wir.
Eine junge, sehr schmale
Läuferin zog an mir vorbei. Ich blieb
ganz ruhig. Nur noch etwa einen und eine
halben Kilometer musste ich laufen. Das schaffte ich noch.
Dann der Zieleinlauf.
Der Sprecher begrüßte mich und meinte: ”Es
ist kalt draußen. Der Läufer hat Eis am Kinn.”
Dann lachte er und meinte noch: „Doch keine Eis.
Kinnbart!”
Ich ging zum Versorgungsstand, nahm mir reichlich Tee und
Studentenfutter und beschloss gleich zu fahren.
Die Schwimmhalle hatte der Veranstalter diesmal
nicht bekommen.
Ich duschte zu Hause. Die Rückfahrt
war sehr ruhig und staufrei.
Ein schöner Sonntag, eine schöne Veranstaltung,
ein schöner Jahresausklang mit dem für mich letzten
Marathon des Jahres 2016.
Letzte Änderung: 14.12.2016 (II. Korrektur)
© Joerg Segger
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